3. Lebenskunst und Religion
Die Frage nach einer „gekonnten“ Lebensführung, die mit einem guten Lebensgefühl einhergeht und Menschen gern leben lässt, hat eine lange Tradition. Sie reicht bis an die Anfänge von Philosophie und Theologie zurück. Angesichts spezifischer gesellschaftlicher Entwicklungen gewinnt sie gegenwärtig neu an Brisanz. Daher gilt es, Ressourcen der Lebenskunst auch im Kontext der christlichen Religion zu erschließen, Kriterien lebensdienlicher Predigten zu entwickeln und die Leitlinien einer Seelsorgekultur zu erörtern, die sich der Aufgabe stellt, etwas zu einem gelingenden Leben beizutragen – ohne damit dem Missverständnis der „Werkgerechtigkeit“ aufzusitzen, „Gewinnerbiographien“ in den Blick zu nehmen oder gar Erfahrungen von Scheitern, Schmerzen, Schuld usw. als Störungen eines erfüllten Lebens hinzustellen.
Der angesichts dieser Herausforderung naheliegende Dialog zwischen Theologie und Philosophie hat zahlreiche Störungen und Unterbrechungen erfahren, was sich im praktisch-theologischen Diskurs als Hypothek erweist: Anders als die Psychologie und die Soziologie war die Philosophie in den letzten Jahrzehnten nur spärlich in die Entwicklung zeitgenössischer Vorstellungen der Praktischen Theologie vom Leben–Können involviert. Vor diesem Hintergrund wird versucht, anknüpfend sowohl an die religiöse Praxis des Christentums und seine Traditionen als auch an praktisch-philosophische Forschungen der Gegenwart konvergente Prämissen und Prinzipien eines gelingenden Lebens zu formulieren.